Bürgerkarte – jahrelanger Stillstand
Wenige werden sich noch erinnern. 2004 wurde mit dem eGovernment-Gesetz ein Bürgernummerierungs und -überwachungsgesetz eingeführt. Kern des Systems war eine Bürgerkarte, die alle Österreicher mehr oder minder zwangsweise erhalten sollten. Jetzt mehr als 2 1/2 Jahre und viele Ankündigungen später ist es Zeit für eine erste Zwischenbilanz.
Die ARGE DATEN hat sich im Vorfeld bemüht, im Bundeskanzleramt Auskunft über Umfang und Stand des Bürgerkartenprojekts zu erhalten. Nicht nur der bisherige Kanzler entpuppte sich als großer Schweiger. Nach vielen Interventionen wurde der ARGE DATEN bescheinigt, dass man keine Zahlen nennen werde, obwohl für die Vollziehung des e-Government-Gesetzes das Bundeskanzleramt zuständig ist. Die ARGE DATEN musste daher alternative Informationsquellen heranziehen.
Wer hat sich bisher eine Bürgerkarte zugelegt?
Um ein Ergebnis gleich vorwegzunehmen. Berauschend viele waren es nicht. Die ARGE DATEN untersuchte unter anderem, wie viele bekannte Bürgerkartenbefürworter sich ein derartiges Instrument zugelegt haben. Von den etwa 140 bekannten Personen, vom Signaturuniversitätsprofessor bis zu hochrangigen Landesbeamten und der Bürgerkartenbetriebsstelle waren es gerade 1/4 davon.
Bürgerkartenmarkt im Überblick
2004 waren knapp 30.000 Personen im Besitz der “sicheren elektronischen Signatur”. Die A-TRUST beklagte damals angesichts der geringen Zahl das Fehlen sinnvoller Anwendungen. Heute ist die Zahl – entgegen aller Prognosen, Subventionen und gesetzlichen Zwangsmaßnahmen, bloß auf rund 44.000 angestiegen. Keine wirklich berauschende Performance, erinnert man sich an die Prognosen (100.000 für 2004, 200.000 für 2005).
Tatsächlich sind auch die veröffentlichten Zahlen irreführend und überhöht. Streicht man die mittlerweile mehr als 10.000 zwangsweise ausgegebenen Karten der Finanzbeamten weg, die gegen heftigen Widerstand mit diesem Service beglückt wurden und auch die mehr als 10.000 WU-Studenten, die in einer verzweifelten Marketingaktion die Karte nahezu kostenlos erhalten, ist die Nutzerzahl mehr als bescheiden.
Streicht man weiters jene etwas mehr als 500 Karten, die die WKO, als Gesellschafter der A-TRUST, ihren Mitarbeitern zukommen ließ und den Eigenbedarf der anderen Gesellschafter und die Testkarten der Bürgerkartenbefürworter weg, kommt man auf eine Zahl von rund 20.000 Personen, etwa 12.000 davon haben die Bürgerkarte auf ihrer Bankomatkarte installiert.
Auch die Bürgerkarte auf der e-Card, die im Gegensatz zum A-TRUST-Produkt gänzlich kostenlos abgegeben wird, kann auf nur 8.000 Testpersonen verweisen. Entgegen den großspurigen Ankündigungen von 50.000 Benutzern im Laufe des Jahres 2006.
Viele Bankomat-Bürgerkartenbesitzer sind gleichzeitig e-Card-Bürgerkartenbesitzer und umgekehrt, sodass bescheidene 15.000 Personen derzeit eine Bürgerkarte haben.
Hauptverband muss Maßnahmen setzen
Nach einem “Balanced Score Card” – System, einem Monitoring- und Evaluationssystem, zu dem der Hauptverband der Sozialversicherungsträger gesetzlich verpflichtet wurde, müssen bei Nichterreichen eines Projektziels Maßnahmen gesetzt werden. Immerhin kostet das Bürgerkartenspektakel des Hauptverbandes, das nicht zum Tätigkeitsbereich der Sozialversicherungen gehört, etliche Millionen Euro.
Sowohl der Hauptverband, als auch die Aufsichtsbehörde, das Gesundheitsministerium sind daher bei Nichterreichen von Zielen gesetzlich verpflichtet Maßnahmen zu setzen. 8.000 statt 50.000 Bürgerkarten ist wohl der deutlichste Beweis für das Scheitern dieses Projekts, alles andere als eine Einstellung zu Jahresende wäre sinnes und rechtswidrig.
Bankomatkartenkunden droht neues Ungemach
War die Ausstellung der Bürgerkarte auf der Bankomatkarte in vielen Fällen eine mühevolle und zeitraubende Sache, droht nun neues Unheil.
Für Ende 2007 hat die RTR-GmbH festgestellt, dass die Signaturschlüssel bis 1024Bit nicht mehr als sicher anzusehen sind. Während andere Zertifizierungsdiensteanbieter längst auf längere Schlüssel umgestiegen sind, werden die A-TRUST Bürgerkarten auf den Bankomatkarten munter mit bloß 1024Bit ausgegeben. Spätestens Ende nächsten Jahres müssten dann alle Bankomatkarten umgetauscht und die mühevolle Prozedur der Neuausstellung der Bürgerkarte wiederholt werden.
Magische Zahl von 10.000 Benutzern
Technische Neuerungen erreichen, so nutzlos sie sein mögen, in Österreich rasch die Zahl 10.000, bleiben aber dann bei dieser Größe hängen, das war schon beim unseeligen Bildschirmtext vor 20 Jahren so. “Early Adopters” nennen die Marketingstrategen jene masochistisch veranlagte Gruppe meist jüngerer Männer, die sich auch mit völlig nutzlosen und unausgereiften Produkten abquälen.
Ein Stopp des Bürgerkartenunfugs und eine Neuorientierung von eGovernment hin zu einem bürgerfreundlichen, leicht durchschaubaren Informationssystem ist überfällig.