eBilling-Neuerung – der Zwang geht, die Sicherheit bleibt

10. Januar 2013

Elektronische Rechnung wird immer beliebter

Unbemerkt von der Öffentlichkeit legte die elektronische Rechnung (E-Rechnung, eBilling) in den letzten Jahren eine ziemliche Erfolgsgeschichte hin. Von den etwa 40.000 Unternehmen, die für eBilling ernsthaft infrage kommen, nutzen heute rund ein Drittel die elektronische Verarbeitung ihrer Eingangs- oder Ausgangsrechnungen.

Parallelsysteme von Papier- und E-Rechnungen machten Probleme

Probleme der Mischverarbeitung wurden mit der EU-Richtlinie 2010/45/EU beseitigt (http://ftp.freenet.at/privacy/gesetze/eu-richtlinie-ebilling-2010_45_EU.pdf), Österreich benötigte besonders lange zur Umsetzung.

Wichtigste Neuerung der Richtlinie ist die Trennung von Ausstellung/Versand von Rechnungen (durch den Lieferanten) und der Archivierung (durch den Empfänger). Elektronisch ausgestellte Rechnungen dürfen jetzt in Papierform archiviert werden und umgekehrt. Mit der EU-Richtlinie werden Papier-Rechnungen und E-Rechnungen gleichgestellt. Nicht mehr das Übertragungsmedium, sondern zentrale Prüfkriterien entscheiden über die Gültigkeit einer Rechnung.

Neben den Anforderungen des § 11 Umsatzsteuergesetz (UStG, http://ftp.freenet.at/ber/ustg-11-rechnungslegung.pdf) müssen bei allen Rechnungen
– Echtheit der Herkunft
– Unversehrtheit des Inhalts und
– Lesbarkeit
sichergestellt werden.

Unternehmen können ab sofort legal Papier- und E-Rechnung integrieren

Ab 1.1.2013 kann ein Unternehmen die Verwaltung seiner Eingangsrechnungen vollständig auf elektronische Verarbeitung oder vollständig auf Papierverarbeitung umstellen, unabhängig davon, in welcher Form es Rechnungen erhält.

Bisher mussten E-Rechnungen elektronisch aufbewahrt werden und Papier-Rechnungen in Papierform archiviert werden, für viele Unternehmen waren teure Parallelsysteme nötig. Diese Verpflichtung ist gefallen.

Die bisher geübte Praxis vieler (Klein-)Unternehmen, heimlich E-Rechnungen auszudrucken und sie wie Papier-Rechnungen zu behandeln und umgekehrt, von (Groß-)Betrieben, alle Eingangsrechnungen einzuscannen, die Papierkopien zu vernichten und elektronisch weiter zu bearbeiten, wurde legalisiert.

Beachtung eines Prüfsystems entscheidend – drei Schritte erforderlich

Für ordnungsgemäß agierende Unternehmen bedeuten die Anforderungen keine neuen Verpflichtungen. Schon bisher waren Unternehmen verpflichtet eingehende Forderungen auf (1) ihre Zulässigkeit, (2) ihre gesetzmäßige Ausstellung und (3) ihre Eignung als Forderungsnachweis zu prüfen. Neu ist, dass jeder einzelne Schritt elektronisch oder manuell erfolgen kann und die Schritte beliebig kombiniert werden können.

Eine gute Darstellung dieser Anforderungen findet sich auf der Website des BMF: http://ftp.freenet.at/ber/bmf-info-ebilling.pdf bzw. https://www.bmf.gv.at/Steuern/Fachinformation/Umsatzsteuer/Informationen/Elektron…

(1) Zulässigkeit
Zulässig sind eingehende Forderungen (“Rechnung”), wenn ihnen eine Bestellung, ein Vertrag, ein Lieferschein, tatsächliche Lieferungen (faktische Vertragserfüllung) oder eine sonstige rechtlich zulässige Vereinbarung/Verpflichtung zugrunde liegt. Die Form dieser Vereinbarung kann frei gewählt werden und kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder durch konkludentes Handeln erfolgen. Wesentlich ist, dass die Vereinbarung gemeinsam mit der Forderung dokumentiert wird. Die Dokumentation kann in Papierform (beleghaft) oder elektronisch erfolgen.

(2) gesetzmäßige Ausstellung
Eine Forderung wird zu einer Vorsteuer abzugsfähigen Rechnung, wenn sie die Merkmale des § 11 UStG erfüllt, im Wesentlichen muss sie Name und Anschrift des Lieferanten, Name und Anschrift des Empfängers, Menge, Bezeichnung und Entgelt der Lieferung, Tag der Lieferung, entfallender Steuerbetrag, Ausstellungsdatum, eine fortlaufende Nummer und die Umsatzsteueridentifikationsnummer des Lieferanten enthalten. Für Kleinbeträge (unter 150,- Euro) und diverse Spezialfälle gibt es vereinfachte bzw. abweichende Bestimmungen. Die Prüfung der gesetzmäßigen Ausstellung kann manuell oder elektronisch (automatisiert) erfolgen.

(3) Eignung als Forderungsnachweis
Präzisiert hat die EU-Richtlinie die Anforderungen einer Rechnung zur Eignung als Forderungsnachweis. Es muss die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und Lesbarkeit gewährleistet sein. Dies kann wiederum manuell oder elektronisch (automatisiert) erfolgen. In der Regel sind “Echtheit der Herkunft” und “Unversehrtheit des Inhalts” Nebenprodukte der Zulässigkeitsprüfung. Stimmen Forderung und Lieferung, die Daten des Lieferanten mit denen des Rechnungslegers überein, sind diese Punkte automatisch erfüllt. Die Lesbarkeit kann der Rechnungsempfänger durch Verwendung anerkannter elektronischer Dokumentenformate sichern (etwa PDF, TIFF, …) oder schlicht durch Ausdrucken und archivieren des Papierbeleges. Letzteres ist besonders für Kleinunternehmen von Bedeutung.

Fortgeschrittene elektronische Signatur bleibt einfachstes Mittel

Mit der neuen EU-Richtlinie müssen Lieferanten elektronische Rechnungen überhaupt nicht mehr signieren. Sie können schlicht darauf hoffen, dass bei der Zustellung nichts passiert bzw. der Empfänger sich bei Zweifel melden wird.

Lieferanten können aber auch mit jeden Rechnungsempfänger unterschiedliche Vereinbarungen schließen, etwa mit Kleinunternehmern, die die Rechnungen sowieso ausdrucken werden, keine Signatur einzusetzen und bei Großkunden eine fortgeschrittene elektronische Signatur oder ein EDI-Verfahren.

Lieferanten können “auf Nummer sicher gehen” und jede elektronische Rechnung, so wie bisher, fortgeschritten elektronisch signieren, egal ob der Empfänger diesen Unversehrtheitsnachweis benötigt oder er die Unversehrtheit sonst wie sicherstellt.

Rechnungsempfänger haben zusätzlich seit 1.1.2013 die Möglichkeit unsignierte elektronische Rechnungen selbst zu signieren und damit die “Unversehrtheit” technisch zu sichern oder auch Papierrechnungen einzuscannen und anschließend durch die fortgeschrittene elektronische Signatur zu sichern.

Alle genannten Fälle sind gemäß EU-Richtlinie und BMF-Website zulässig. In Österreich liefern derzeit nur zwei Unternehmen geeignete Zertifikate zur fortgeschrittenen elektronischen Signatur (z.B. https://www.globaltrust.eu).

In allen Fällen hat die fortgeschrittene elektronische Signatur die Funktion eines elektronischen Eingangs- bzw. Bearbeitungsstempels. Sie kann automatisiert vergeben werden und ist damit das einfachste und billigste Mittel zur elektronischen Sicherung der “Unversehrtheit” einer Rechnung.

Was bedeutet die Gleichstellung von Papier- und E-Rechnung für Kleinunternehmer?

Die bisherige – von den Steuerbehörden stillschweigend – geduldete Praxis der Archivierung ausgedruckter statt elektronischer Rechnungen ist nun rechtlich ausdrücklich legalisiert.

E-Mail öffnen, Attachment ausdrucken, Eingangsstempel darauf, prüfen, ob verrechnete Leistung erbracht wurde, prüfen, ob alle Rechnungsmerkmale enthalten sind, in Buchhaltung oder Einnahmen-/Ausgabenrechnung mit Belegnummer einbuchen, bezahlen und Beleg 7 Jahre aufheben, das war bisher und ist wohl auch in Zukunft das “innerbetriebliche Steuerungsverfahren” für etwa 90 % der rund 400.000 österreichischen Unternehmen.

Was bedeutet die Gleichstellung von Papier- und E-Rechnung für Rechnungsleger?

Rechnungsleger (Lieferanten) müssen im Extremfall nur mehr die formalen Rechnungsvorschriften des § 11 UStG beachten. Sie können ohne weitere Maßnahmen Rechnungen elektronisch oder auf Papier verschicken, ohne jede Signatur. Sie riskieren aber die Verfälschung der elektronischen Daten. Wer das Risiko als gering bzw. tragbar einschätzt, kann auf die elektronische Signatur verzichten. Nur wenn ein Empfänger ausdrücklich eine Papierrechnung oder eine signierte elektronische Rechnung verlangt, muss diese ausgestellt werden.

Sorgsame Rechnungsleger werden jedoch elektronische Rechnungen – zur Sicherheit, wie bisher – mit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur versehen. Damit kann der Rechnungsleger sicher sein, dass Verfälschungen bei der Übertragung, sei es durch Hacker oder technische Fehler, beim Empfänger zuverlässig erkannt werden.

Was bedeutet die Gleichstellung von Papier- und E-Rechnung für Großbetriebe?

Die größten Vorteile der neuen Rechtslage können Großbetriebe lukrieren. Sie können jetzt alle Eingangsrechnungen elektronisch erfassen und (automatisiert) weiter verarbeiten. Sie müssen weder Papierrechnungen parallel archivieren und verwalten, noch benötigen sie bei elektronischen Eingangsrechnungen besondere Signaturen.

Es existieren schon jetzt effiziente Systeme, die etwa SAP-Nutzern vom Rechnungseingang/Einscannen bis zur Zahlung und Rechnungsarchivierung vollelektronische Rechnungsprüfung erlauben. Diese Systeme dürfen ab sofort auch offiziell und völlig legal eingesetzt werden.

Konfuse Verordnung des BMF

Mit 28.12.2012 wurde vom BMF eine neue eBilling-Verordnung in Kraft gesetzt, die nicht nur im Widerspruch zur EU-Richtlinie steht, sondern sogar der eigenen BMF-Website widerspricht.

Schon im Vorfeld hatte die ARGE DATEN und zahlreiche betroffene Unternehmen Bedenken zum Verordnungsentwurf geäußert (siehe auch die umfangreiche Stellungnahme http://ftp.freenet.at/privacy/gesetze/stellungnahme-ebilling-verordnung-2012.pdf).

So enthält diese Verordnung nicht einmal die in der EU-Richtlinie verpflichtend vorgeschriebene Regelung der “Lesbarkeit” von Rechnungen.

Sieht man vom – missglückten – Versuch ab, das BMF-eigene “Unternehmensserviceportal” und das PEPPOL-System zu forcieren, bleibt nur das sogenannte “innerbetriebliche Steuerungsverfahren” als praxistaugliche Lösung.

Europarechtswidrige Sackgasse “qualifizierte elektronische Signatur”

Als zulässige Methode der “Echtheit der Herkunft” und “Unversehrtheit des Inhalts” nennt die BMF-Verordnung die “qualifizierte elektronische Signatur”. Abgesehen davon, dass die Forderung direkt der EU-Richtlinie widerspricht und europarechtswidrig ist, ist die Anforderung völlig fehlerhaft formuliert. Die “Echtheit der Herkunft” wäre nur garantiert, wenn zwingend verlangt wird, dass die “qualifizierte elektronische Signatur” von einer bevollmächtigten Person des Lieferanten (Rechnungslegers) stammt. Die Verordnung verlangt aber nur irgendeine “qualifizierte elektronische Signatur”.

Im Extremfall könnte irgendjemand eine elektronische Rechnung manipulieren (z. B. vorhandene Signaturen entfernen, seine eigene Kontonummer eintragen und dann mit seiner “qualifizierten elektronischen Signatur” versehen). Laut Verordnung wäre das dann eine gültige Rechnung, der Rechnungsempfänger bei Bezahlung an das falsche Konto “aus dem Schneider” und der Lieferant hätte das Nachsehen.

Mittlerweile verwendet europaweit niemand “qualifizierte elektronische Signaturen” zur Rechnungslegung, nur in Einzelfällen werden “elektronische Signaturen, basierend auf ein qualifiziertes Zertifikat” verwendet. Eine “qualifizierte elektronische Signatur” würde für jede Rechnung einen eigenen Willensakt, quasi eine persönliche Unterschrift der Firmen bevollmächtigten erfordern, was bei Rechnungen völlig weltfremd ist.

Resümee – eBilling – kein Zwang zur elektronischen Archivierung

Die wichtigste Neuerung der EU-Richtlinie ist, dass Form der Ausstellung und des Versandes von Rechnungen endgültig von der Form der Archivierung getrennt sind. Elektronisch ausgestellte Rechnungen dürfen in Papierform archiviert werden und umgekehrt.

Für Kleinunternehmen bedeutet die EU-eBilling-Richtlinie, dass sie E-Rechnungen nicht mehr elektronisch archivieren und verarbeiten müssen.

Für Großunternehmen bedeutet die Richtlinie, dass sie Papier-Rechnungen in Zukunft auch elektronisch verarbeiten dürfen.

Für Lieferanten und Empfänger gilt jedoch, Rechnungen zu legen, zu empfangen und zu archivieren muss auf Basis eines dreiteiligen Prüfverfahrens erfolgen: Prüfung (1) der Zulässigkeit der Forderung, (2) der gesetzmäßigen Ausstellung und (3) der Eignung als Forderungsnachweis.

Jeder einzelne Schritt kann ab sofort elektronisch oder manuell erfolgen und alle Schritte können beliebig kombiniert werden, egal wie konfus und EU-widrig die eBilling-Verordnung des BMF ist.